«Die Umstellung war enorm»
Markus Niese, Bachelorstudent und Vorstandsmitglied im Studierendenverein AMIV (Ressort Hochschulpolitik), spricht über seine Erfahrungen in Zeiten der Coronakrise.
Die meisten D-ITET-Angehörigen müssen zurzeit wie alle ETH-Angehörigen von zu Hause aus arbeiten, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen.
Wie erlebst Du persönlich diese spezielle Situation im Homeoffice?

Die Umstellung war enorm. Ich habe die ersten zweieinhalb Jahre meines Studium hauptsächlich an der Uni gelernt. Einerseits, weil dort meine KollegInnen waren, mit denen ich gelernt habe, andererseits aber auch, weil ich es besser finde, Arbeit und Freizeit räumlich zu ändern. Mein Zimmer war also gar nicht darauf ausgelegt, dass ich dort täglich mehrere Stunden lerne. Deswegen musste ich zuerst einmal mein Zimmer umbauen, bevor ich beginnen konnte, zu arbeiten. Dazu gehörten auch kreative Lösungen. Beispielsweise habe ich ein paar Basisprüfungsbücher zu einer Erhöhung für meinen Laptop umfunktioniert. Ich habe mir dann auch noch einen Greenscreen gebastelt, um die Übungsstunde in der Vorlesung «Elektromagnetische Felder und Wellen» von Prof. Novotny, die ich gebe, etwas aufzupeppen. Und ich habe mir noch ein Ansteckmikrofon zugelegt, damit meine Gesprächspartner nicht Kopfschmerzen wegen schlechter Audioqualität bekommen.
Was ist für Dich das Schwierigste daran?
Es gibt hierbei vor allem zwei Aspekte: Erstens, dass sich mein Leben mit Ausnahme von kurzen Spaziergängen den ganzen Tag auf den selben 15 Quadratmetern abspielt. Man muss seinen Arbeitsweise neu strukturieren, damit sie zu den Gegebenheiten passt.
Zweitens natürlich das Fehlen von sozialen Kontakten. Selbstverständlich kann man sich über Videotelefonie treffen, was ich auch mache, aber es ist nun mal doch nicht das gleiche, wie wenn man sich direkt gegenüber ist.
Gibt es positive Erfahrungen oder Arbeitsweisen, die Du voraussichtlich mit in die Zeit nach der Coronakrise nehmen wirst?
Das Positive, denke ich, ist, dass man lernt mit dieser komplett neuen Situation umzugehen. Das verlangt eine gewisse Adaptabilität, die man sich aneignen muss und die sicher in anderen Situationen auch hilft. Positiv finde ich auch die Art und Weise wie alle, Administration, Dozierende, Assistierende und Studierende gemeinsam zusammengearbeitet haben, um quasi über ein Wochenende den gesamten Vorlesungs- und Übungsbetrieb auf online umzustellen. Sehr viele lange eingesessenen Gewohnheiten mussten hierfür geändert werden. Aber aus der Notwendigkeit entstehen Tugenden, die hoffentlich länger erhalten bleiben, vor allem, was die zur Verfügung stehenden Materialien betrifft.
«Das Positive ist, dass man lernt mit dieser komplett neuen Situation umzugehen. Das verlangt eine gewisse Adaptabilität, die man sich aneignen muss und die sicher in anderen Situationen auch hilft. »Markus Niese, Bachelorstudent
Du bist im AMIV-Vorstand. Wie reagieren die Studierenden auf den ungewohnten Alltag ohne Präsenzunterricht? Wie ist die Stimmung?

Das ist sehr unterschiedlich. Manche sind es bereits gewohnt relativ viel alleine zu machen, für die war es wohl keine zu grosse Umstellung. Bei anderen schon. Ich habe von einigen gehört, die Probleme hatten, sich zu motivieren, weil sie nicht mehr im bekannten Umfeld waren und kaum soziale Kontakte haben. Dabei muss man auch bedenken, dass für viele zusätzlich zur Isolation noch andere Sachen dazukommen. Sie sehen ihr Familie nicht und haben Angst um deren und ihre eigenen Gesundheit. Damit ist nicht leicht umzugehen. Wir im AMIV aber auch im VSETH haben von Anfang an versucht diese Kommilitonen zu erreichen. Aber natürlich ist es auch für uns im AMIV eine grosse Umstellung. Wir werden daraus auch lernen und neue Angebote, die wir uns gerade ausdenken, dann auch noch in der Zeit nach Corona aufrecht erhalten, falls sie gut angenommen werden.
Der AMIV hat eine Plattform für die Bildung von Lerngruppen aufgeschaltet. Weisst Du wie viele Gruppen es mittlerweile gibt? Und wie sind Deine persönlichen Erfahrungen (und die Deiner KommilitonInnen) damit?
Das war ein Versuch dazu. Wir dachten uns, dass es vor allem für diejenigen, die normalerweise schon Probleme haben, Anschluss zu finden besonders schwierig sein könnte. Deswegen können die sich bei uns melden und wir organisieren dann KommilitonInnen, die auf die selben Fächer lernen, damit sie sich austauschen können oder sich zumindest auf einen virtuellen Kaffee treffen. Das war von Anfang an nicht als Massenprodukt gedacht und so wurde es auch nicht gebraucht, aber inzwischen haben sich ca. 40 Leute gemeldet und wir hoffen, dass das für die die Situation besser macht.
Mehr Informationen zu den Lerngruppen des AMIV.