«Ich vergesse oft, innezuhalten und das bereits Erreichte zu würdigen»

Nako Nakatsuka, Forscherin am Labor für Biosensoren und Bioelektronik (LBB), wurde von MIT Technology Review zu einem der diesjährigen «Innovators Under 35» ernannt. Im Interview spricht Nako über ihre Forschung und ihr Engagement für verschiedene Diversity-Initiativen an der ETH Zürich.

Nako, du wurdest von MIT Technology Review zu einem der diesjährigen «Innovators Under 35» ernannt, herzlichen Glückwunsch! Was bedeutet Dir diese Nominierung?

Nako

Herzlichen Dank! Ich fühle mich sehr geehrt und bin dankbar für die Anerkennung. Ich bin oft in meiner akademischen Blase gefangen, in der ich nach Veröffentlichungen, Stipendien und der nächsten Forschungsherausforderung sterbe, und darüber vergesse, bereits Erreichtes zu würdigen. Ich fühle mich immer im Rückstand und habe das Gefühl, nicht genug zu tun. Nachdem das MIT die Innovators List bekannt gegeben hatte, erhielt ich Nachrichten von Personen, die über ihre Erfahrungen mit Depressionen oder anderen Erkrankungen des Gehirns berichteten. Das Lesen solcher Nachrichten hat mich ermutigt und bestätigt, dass meine Arbeit einen wichtigen Beitrag leisten kann.  

Du möchtest mit deiner Forschung die grundlegenden Funktionen des menschlichen Gehirns verstehen, um das begrenzte Verständnis bestimmter Krankheiten voranzutreiben. Wie bist du zu diesem Forschungsgebiet gekommen?

Ich bin eher zufällig in diesem Forschungsgebiet gelandet. In meinem Bachelorstudium habe ich im Bereich Tissue Engineering geforscht. Konkret ging es um die Regeneration von Bändern nach einer Verletzung, was ich sehr spannend fand.
Während meiner Doktorarbeit hat mich die Forschung meiner Betreuerin Prof. Anne Andrews von der University of California (UCLA, Los Angeles) fasziniert. Sie wollte Serotonin im Gehirn messen, um zu verstehen, wie dieser Neurotransmitter Angst und Depression reguliert. Da ich von Prof. Paul Weiss mitbetreut wurde, hatte ich auch die einzigartige Gelegenheit, diese neurowissenschaftlichen Fragen aus einem chemischen und ingenieurwissenschaftlichen zu beleuchten. Das Gehirn kommuniziert sowohl über chemische als auch über elektrische Pfade, aber uns fehlen derzeit Werkzeuge, die eine neurochemische Erkennung in komplexen Umgebungen ermöglichen. Mein Fokus liegt daher auf den Herausforderungen der chemischen Biosensorik und der Entwicklung von Technologien, die eine Schnittstelle zwischen neurochemischer Detektion und bestehenden elektrischen Plattformen bilden, um eine umfassende Untersuchung von gesunden und kranken Gehirnzuständen zu ermöglichen.

Du bist auch sehr aktiv im Team für Diversität und Inklusion (D+ITET) des D-​ITET und Mitorganisatorin des AVETH Diversity Awards, der im Mai 2021 zum ersten Mal von der Mittelbaubereinigung der ETH (AVETH) und Equal! verliehen wurde. Was treibt Dich an, dich in diesem Bereich so zu engagieren?

Letzten Sommer habe ich die Aktivitäten der globalen Bewegungen gegen Rassismus und Diskriminierung verfolgt und so begonnen, über meine eigenen Privilegien nachzudenken. Auch ich habe in meinem Leben Diskriminierung erfahren, bin jetzt aber an einer weltweit führenden Institution wie der ETH, die mich als Wissenschaftlerin unterstützt. Daher möchte ich mich nun für diejenigen einsetzen, die nicht die gleichen Entwicklungsmöglichkeiten wie ich haben, und fühle mich verantwortlich dafür, Vielfalt und Inklusion am Arbeitsplatz zu fördern. Ich versuche, wichtige Gespräche über Diskriminierung anzustossen, weil ein solcher Dialog hier in der Schweiz notwendig ist. Da diese Diskussionen jedoch neu und oft stigmatisierend sind, müssen wir zunächst das Bewusstsein durch Auszeichnungen wie den AVETH Diversity Award schärfen, der signalisiert, dass Vielfalt ein zentraler Wert der ETH ist. Natürlich sind solche Auszeichnungen nur ein Anfang, und wir müssen weiterhin Initiativen auf institutioneller Ebene vorantreiben, um die Kultur an der ETH wirklich zu verändern.

Wie fühlst Du Dich als ausgebildete Chemikerin am Departement für Informationstechnologie und Elektrotechnik?

Ich hätte nie gedacht, dass ich als Chemikerin in einer elektrotechnischen Fakultät landen würde, aber ich liebe es wirklich! Meine Gruppe (Labor für Biosensoren und Bioelektronik, LBB) ist fachlich sehr vielfältig und meine Kollegen sind sehr kooperativ. Ich kann so viel von den LBB-Mitgliedern lernen, z. B. Programmieren und Elektronik, und im Gegenzug kann ich mein Chemie-Wissen in viele verschiedene Projekte einbringen. Ich glaube wirklich, dass Innovation, die echte Probleme löst, durch interdisziplinäre Zusammenarbeit angetrieben wird. Ohne Teamarbeit wäre keine meiner technologischen Visionen möglich gewesen. Ich bin Janos Vörös, dem Leiter des LBB, sehr dankbar, dass er das Potenzial in meiner Vision gesehen und mir die Möglichkeit gegeben hat, an die ETH zu kommen und beim LBB mitzuarbeiten, um transformative Technologien für die Neurowissenschaften zu entwickeln.

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