«Es gibt viele Synergien zwischen Elektrotechnik und Chemie»

Maksym Yarema, Leiter der Chemistry and Materials Design Group (CMD), die dem Institut für Elektronik angehört, hat 2019 einen ERC Starting Grant erhalten. In unserem Interview spricht Prof. Yarema über die Faszination von Nanomaterialien und seine Erkenntnisse aus dem Corona-Lockdown.

von Katja Abrahams-Lehner

Prof. Yarema, was ist Ihr Forschungsschwerpunkt?

Prof. Maksym Yarema

Ich würde es als eine Mischung aus Materialwissenschaft und Chemie beschreiben. Wir konzentrieren uns auf die Herstellung von Materialien mit sehr winzigen Abmessungen, wie z.B. Halbleiter und metallische Nanopartikel. Unser Ziel ist es, diese Materialien als Bausteine für verschiedene effiziente Geräte zu verwenden, die mit Hilfe von Bottom-up-Flüssigphasen-Fertigungsansätzen hergestellt werden. Auf diese Weise möchten wir bestehende Technologien verbessern und neue Funktionalitäten ermöglichen.

Was hat Sie zu diesem Forschungsgebiet geführt?

Wie viele Dinge in unserem Leben hat bei mir alles in der Kindheit begonnen. Wenn ich zurückdenke, war ich von viel Kreativität umgeben, denn meine Eltern sind beide Musiker. Sie liessen mir immer die Wahl, und ich habe mich schon sehr früh für Mathematik und Chemie entschieden. Ich hatte damals das Glück, nicht nur einen, sondern viele grossartige Mentoren zu haben, die mich als Akademiker geprägt haben. Angefangen bei meinem Grossvater Maksym, der immer sagte, Wissen sei der Schlüssel zum Erfolg, über meinen Chemielehrer in der Schule, der mir das Experimentieren in einem richtigen Labor ermöglichte, meine glückliche Studentenzeit und erste Forschungsaufenthalte in der Ukraine und in Österreich, bis hin zu meinen Postdoc-Betreuern hier an der ETH Zürich. Sie alle haben mich beeinflusst und mein Wissen und meine Fähigkeiten in verschiedene Richtungen erweitert.

Welche Auswirkungen hat Ihre Forschung auf die Gesellschaft?

Nanomaterialien findet man überall: von weit verbreiteten Produkten, wie Sonnenschutzmittel oder Farben, bis hin zu technischen High-End-Anwendungen in der Medizin, Geräten und Bauteilen. Als Beispiel habe ich hier in meinem Büro ein Quantenpunkt-Display. Diese Quantenpunkte, auch Nanokristalle genannt, sind kleine anorganische Materialstückchen, insgesamt nur wenige hundert oder tausend Atome. Wir synthetisieren und untersuchen diese Quantenpunkte in unserem Institut und konzentrieren uns dabei auf komplexe chemische Zusammensetzungen. Die Strukturkomplexität auf der Nanoskala ist wirklich faszinierend! Wir können zum Beispiel sehr geordnete Nanokristalle herstellen, die hinsichtlich ihrer Emissionseigenschaften überlegen sind. Oder wir können Nanopartikel ohne kristalline Ordnung herstellen und sie für Phasenwechselanwendungen verwenden.

Gegenwärtig konzentrieren wir uns in unserem Labor auf zwei neue Richtungen: Speicher und Katalyse. Betreffend Speicheranwendungen sehen wir das Potenzial, ultrakleine, aber dennoch zuverlässige Speicherbausteine zu erschaffen. Bei der Katalyse profitieren wir von einem grossen Oberflächen-zu-Volumen-Verhältnis bei Nanokristallen. In beiden Fällen sind wir daran interessiert, den Zusammenhang zwischen Struktur und Leistung von Materialien zu erforschen.

««Nanomaterialien findet man überall: in weit verbreiteten Produkten, wie Sonnenschutzmittel oder Farben, bis hin zu technischen High-​End-Anwendungen in der Medizin, Geräten und Bauteilen.»»
Prof. Maksym Yarema
Prof. Maksym Yarema in the lab
Maksym Yarema bei der Arbeit im Labor mit lumineszierenden Nanomaterialien. (Bild: SNF/Daniel Rihs)  

Welche Herausforderungen sind derzeit die grössten in Ihrem Forschungsgebiet?

Die Forschung zu Nanopartikeln wird derzeit immer ausgereifter. Es reicht nicht mehr aus, nur Materialien oder Bauteile herzustellen, sondern es bedarf eines tieferen Verständnisses ihrer Eigenschaften, um zu erklären, warum sich bestimmte Materialien so verhalten und funktionieren, wie sie es tun. Wir müssen Chemie mit Experimentalphysik, Ingenieurwesen und Berechnungen kombinieren, um klarere Antworten zu erhalten.

Im Herbstsemester werde ich einen Kurs zu Phase-Change-Materialien und Speicherbausteine (PCMs) unterrichten, ein sich rasch entwickelndes Gebiet. Phasenwechselmaterialien sind in der Lage, reversibel zwischen zwei strukturellen Phasen mit unterschiedlichen elektrischen Eigenschaften umzuschalten. Die PCM-Technologie ist derzeit der stärkste Konkurrent der herkömmlichen Speicher auf Siliziumbasis. Sie zeichnet sich auch durch einzigartige Eigenschaften aus, wie z.B. Nichtflüchtigkeit bei hohen Temperaturen, Multibit-Speicher und gehirnähnliche Rechenfähigkeiten. Ein weiteres wichtiges Merkmal von PCM-Geräten ist, dass ihre Leistung durch das gewählte Material modifiziert werden kann. So können wir wählen, ob wir schnellere, aber flüchtigere Speicher, die sich dem dynamischen RAM annähern, oder langsamere, aber zuverlässigere Speicher der Speicherklasse, die Flash-SSDs ähneln, herstellen wollen.

Mit welchen Kolleginnen und Kollegen innerhalb und ausserhalb des Departements haben Sie Kooperationen?

Ich kam 2013 als Postdoktorand an das D-ITET, daher konnte ich im Laufe der Jahre ein Netzwerk von Kooperationen innerhalb des Departements aufbauen. Mit Prof. Vanessa Wood arbeite ich eng zusammen, da wir beide Teil des Instituts für Elektronik sind. Ich hatte auch einige gemeinsame Projekte mit Prof. Mathieu Luisier, dessen Forschung sich auf die computergestützte Nanoelektronik konzentriert, und ich bin auf dem Gebiet der Photonik mit Prof. Jürg Leuthold und Prof. Lukas Novotny, z.B. über die Wechselwirkung von Licht mit Nanomaterialien, im Austausch. Ich freue mich sehr darauf, das Kooperationsnetzwerk innerhalb des D-ITET noch weiter auszubauen.

Auf dem Gebiet der Katalyse arbeite ich mit Prof. Christophe Copéret vom D-CHAB zusammen, der ein Experte für molekulare Materialien und Oberflächenchemie ist. Auch lasse ich keine Gelegenheit aus, mich mit meinem ehemaligen Betreuer, Maksym Kovalenko vom D-CHAB, der seit kurzem ordentlicher Professor für Funktionelle Anorganische Materialien ist, und mit anderen Stipendiaten der Schweizerischen Chemischen Gesellschaft auszutauschen.

Vergrösserte Ansicht: Group Maksym Yarema
Das Institut für Elektronik (IFE) behebergt die Forschungsgruppen von Prof. Yarema (untere Reihe, zweiter von rechts) und Prof. Wood (untere Reihe, erste von links). (Bild: IFE)

Wie fühlen Sie sich als Chemiker am Departement für Informationstechnologie und Elektrotechnik?

Es gibt viele Synergien zwischen Elektrotechnik und Chemie, die beiden Wissenschaftsbereiche sind allerdings recht voneinander getrennt. Im Allgemeinen beschränken sich Chemiker auf die Materialentwicklung, während Elektroingenieure oft mit bereits hergestellten Geräten oder Schaltkreisen beginnen. Es gibt also eine offensichtliche Lücke, ein fehlendes Bindeglied zwischen Materialien und Leistung von Bauteilen oder Geräten. Dies wird besonders wichtig, wenn es um neue Technologien und Konfigurationen geht. All diese Fragen, wie z.B. «Warum funktioniert diese Konfiguration oder eben auch nicht, und wie kann sie verbessert werden?» lassen sich oft durch die Materialauswahl und Synthese beantworten. Also ja, ich betrachte mich am D-ITET nicht wirklich als Fremder (lacht). Tatsächlich fühle ich mich in meinem Forschungsgebiet stark komplementär zu denen anderer Kollegen am D-ITET, und ich hoffe, anderen Forschungsgruppen und D-ITET-Studierenden in Bezug auf Chemie- und Materialaspekte von elektronischen Komponenten behilflich zu sein.

An dieser Stelle möchte ich auch erwähnen, dass ich im Frühlingssemester einen neuen Kurs unterrichten werde: Chemistry of Devices and Technologies. Dieser Kurs richtet sich an Studierende der Elektrotechnik, die für sie nützliches chemisches Wissen erlernen können. Eines der Ziele dort ist es, verschiedene Technologien aus dem Blickwinkel der Materialien zu betrachten. Wir stellen so genannte Struktur-Eigenschafts-Leistungs-Beziehungen her, erwerben praktische Fertigkeiten im Labor und greifen modernste Technologien als Einzelprojekte auf. Den Studierenden scheint dieser dreifache Ansatz zu gefallen.

Wie gefällt Ihnen die ETH als Forschungseinrichtung?

Für mich ist die ETH Zürich eine der besten Forschungsinstitutionen der Welt. Wir haben eine grossartige Infrastruktur, und man kann buchstäblich jede Ausrüstung finden, die man sich wünscht. Ein weiterer wichtiger Pfeiler für den Erfolg der ETH sind natürlich die Studierenden, die ungeheuer intelligent und kreativ zugleich sind. Die ETH tut ihr Bestes, um diese jungen Talente zu fördern, indem sie innovative Lehransätze anbietet. Nicht zuletzt ist die Schweiz ein grossartiges Land, sehr ausgewogen in jeder Hinsicht. Die Menschen sind sozial aktiv, gebildet, und sie treiben viel Sport. Meiner Meinung nach ist es einer der besten Orte zum Leben und Arbeiten.

Wie international ist Ihre Gruppe? Sind Sie auf der Suche nach Doktoranden?

Ich habe vor etwa einem halben Jahr als Assistenzprofessor angefangen. Kurz vor dem Corona-Lockdown konnte ich einen Doktoranden einstellen. Er kommt aus Indien, und ich komme aus der Ukraine, somit kann ich sagen, dass meine Gruppe im Moment sehr international ist (lacht). Wir werden den Einstellungsprozess bald wieder aufnehmen, und wir hoffen, dass die Corona-Pandemie die so dringend benötigte Verstärkung unserer Forschungsgruppe nicht verzögern wird. Wir heissen auch Master- und Semesterstudierende vom D-ITET und anderen Departementen willkommen, wenn sie an unserem interdisziplinären wissenschaftlichen Ansatz interessiert sind.

Vergrösserte Ansicht: Maksym Yarema, PCM class
Gute alte Zeiten: ein aufmerksames Publikum von ETH-Studierenden während des PCM-Kurses vor der Corona-Pandemie. (Bild: Olesya Yarema)

Während des Corona-Lockdowns standen Sie und Ihre Gruppe sicherlich vor grossen Herausforderungen. Könnten Sie uns diese beschreiben? Werden sich diese Erfahrungen nachhaltig auf die Lehre auswirken?

Wir führen normalerweise viele Experimente in unseren Physik-, Chemie-, Elektronenmikroskopie- und Charakterisierungslabors durch, also ja, wir waren natürlich vom Lockdown betroffen und mussten unsere experimentellen Aktivitäten für mehr als zwei Monate einstellen. Wir wollten jedoch immer positiv bleiben, denn jede Veränderung ist eine Chance. So konnten wir zum Beispiel mehr Zeit für die Datenanalyse aufwenden und einige alte Paper-Entwürfe fertig stellen. Aus der Not heraus wurden Online-Plattformen, wie Zoom oder Slack, bald ganz normal. Im Unterricht entdeckte ich für mich persönlich einige neue interaktive Werkzeuge wie Slido oder Mural, die sich als sehr effizient und hilfreich für die Interaktion mit den Studierenden und Kollegen erwiesen. Ich bin davon überzeugt, dass wir einige dieser neuen Gewohnheiten und Fertigkeiten auch nach der Corona-Zeit beibehalten werden. Ich hoffe jedoch immer noch, dass in den nächsten Semestern Präsenz-Unterricht möglich sein wird. Die Studierenden live vor sich zu haben macht so viel mehr Spass als Online-Vorlesungen zu halten!

Professoren am D-​ITET

In unserer Interview-​Reihe geben Professoren am D-​ITET einen Einblick in ihre Forschung und ihre persönliche Motivation, in die Wissenschaft zu gehen.

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