«Ich habe mich schon immer für Dinge interessiert, die einen Einfluss auf die Gesellschaft haben»
Prof. Luca Benini hält die Professur für digitale Schaltungen und Systeme am Institut für Integrierte Systeme (IIS). Im Interview spricht er über den Trend zu Open-Source-Hardware-Architekturen, neue Technologien wie die 3D-Integration und erfolgreiche Kooperationen innerhalb der ETH.
Prof. Benini, was ist Ihr Forschungsgebiet?
Der Schwerpunkt meiner Forschung liegt auf dem Gebiet der digitalen Schaltungen und Systeme. Ich arbeite vor allem an der Entwicklung von Chips, die nicht nur für leistungsstarke Computer in Rechenzentren (für Cloud-Dienste und Hochleistungsrechner) verwendet werden, sondern auch für "embedded" Computer, wie sie für die Steuerung autonomer Fahrzeuge, Industriemaschinen und kleiner Geräte wie Smartwatches benötigt werden. Diese Chips werden immer komplexer und sind häufig mit Anwendungen der künstlichen Intelligenz verbunden, auf denen Modelle des maschinellen Lernens und neuronale Netze laufen, um schnellere und bessere Dienste anzubieten. Eine der grössten Herausforderungen in diesem Forschungsbereich ist die Verlangsamung des Fortschritts in der Transistortechnologie. Wir müssen eine bessere Leistung erbringen und gleichzeitig den Stromverbrauch niedrig halten. Dies erfordert innovative architektonische Designansätze, anstatt sich nur auf neuere Siliziumtechnologien zu verlassen. Da diese Chips in kritischen Anwendungen wie Autos und medizinischen Geräten eingesetzt werden, ist die Gewährleistung ihrer Sicherheit und Zuverlässigkeit eine weitere wichtige Herausforderung, der wir uns stellen.
Was hat Sie ursprünglich zu diesem Bereich hingezogen, und was fasziniert Sie daran?
Meine Reise in diesem Bereich begann mit einem Schwerpunkt auf Designautomatisierung während meines Doktoratsstudiums. Mit zunehmender Erfahrung interessierte ich mich jedoch mehr für das physische Chipdesign und die Möglichkeit, greifbare Produkte zu schaffen. Was mich in den letzten Jahren wirklich fasziniert hat, ist der Trend zu Open-Source-Computerhardware. Das kommt einer Revolution gleich, sowohl in der Industrie als auch im akademischen Bereich. Wir bewegen uns weg von der geschlossenen, abgeschotteten Entwicklung und hin zu kollaborativen, offenen Ansätzen, ähnlich wie es in der Welt der Open-Source-Software geschehen ist. Dieser Wandel begeistert mich sehr, denn er verändert die Art und Weise, wie wir Forschung und Entwicklung an digitalen Schaltungen und Systemen betreiben.
«Was mich in den letzten Jahren wirklich fasziniert hat, ist der Trend zur Open-Source-Hardwarearchitektur. Das kommt einer Revolution gleich, sowohl in der Industrie als auch im akademischen Bereich. Wir bewegen uns weg von der geschlossenen, abgeschotteten Entwicklung und hin zu mehr kollaborativen, offenen Ansätzen.»Prof. Luca Benini
Wollten Sie schon immer Ingenieur werden, oder haben Sie auch andere Berufswege in Betracht gezogen?
Meine Eltern waren beide Lehrer, also war die akademische Welt ein Teil meines Hintergrunds. Ich fühlte mich jedoch immer zu Themen hingezogen, die sich physisch auf die Gesellschaft auswirken und bei denen sich komplexe Konzepte der Physik und Mathematik mit realen Anwendungen überschneiden. Ursprünglich wollte ich Mathematiker oder Physiker werden, entschied mich dann aber doch für das Ingenieurwesen, weil es einen direkteren und praktischeren Einfluss auf die Gesellschaft hat. Im Ingenieurwesen können wir Dinge schaffen, die greifbar sind und eine unmittelbare Auswirkung auf das Leben der Menschen haben.
Wie wirkt sich Ihre Forschung auf die Gesellschaft aus, und welche Auswirkungen sehen Sie in der Zukunft?
Unsere Forschung im Bereich des Chipdesigns hatte schon immer Auswirkungen auf die Gesellschaft, da eingebettete Elektronik allgegenwärtig geworden ist. Mit dem Aufkommen der künstlichen Intelligenz stehen wir jedoch an der Schwelle zu einer grossen Veränderung. Künstliche Intelligenz wird durch autonome Systeme zunehmend in unser tägliches Leben integriert, und dieser Trend wird sich wahrscheinlich noch beschleunigen. Im nächsten Jahrzehnt werden wir uns bei verschiedenen Funktionen noch stärker auf elektronische Systeme verlassen. Das kann zwar aufregend sein, wirft aber auch ethische Überlegungen auf. Wir müssen sicherstellen, dass unsere Arbeit nicht nur Spass macht, sondern auch wichtige Aspekte wie Gesundheit, Sicherheit und Schutz der Menschen berücksichtigt.
Glauben Sie, dass das Mooresche Gesetz immer noch gültig ist, oder ist es mittlerweile überholt?
Das Mooresche Gesetz ist ein Thema, das oft diskutiert wird. Aus der Marketing-Perspektive mag es den Anschein erwecken, als sei es immer noch gültig, aber die traditionelle Auslegung des Mooreschen Gesetzes, die eine Verkleinerung der Transistoren etwa alle 18 Monate vorsah, hat in der Tat vor einigen Jahren ein Plateau erreicht. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Fortschritt zum Stillstand gekommen ist. Vielmehr gehen die Innovationen in verschiedene Richtungen. So verspricht beispielsweise die 3D-Integration – das Integrieren von Siliziumbauteilen in Schichten – die Skalierung um ein weiteres Jahrzehnt zu verlängern. Wir müssen uns darauf einstellen, indem wir lernen, wie wir für diese neuen Technologien designen können.
Welche Kurse werden Sie im nächsten Semester unterrichten?
Im kommenden Semester liegt der Schwerpunkt meiner Gruppe auf dem Unterrichten einer Reihe von VLSI-Kursen (Very Large Scale Integration), von denen einer von meinem Kollegen Christoph Studer gehalten wird. Dabei geht es nicht nur um theoretisches Wissen, sondern auch um die Vermittlung praktischer Fähigkeiten, so dass unsere Studierenden nach Abschluss dieser Lehrveranstaltung versierte Chipdesigner sind. Außerdem halte ich eine Lehrveranstaltung für Fortgeschrittene, bei der es darum geht, den Studierenden das Wissen zu vermitteln, ihre Konzepte auf grössere und komplexere Systeme übertragen zu können, und ihnen Einblicke zu geben, wie führende Unternehmen ihre eigenen Systeme entwerfen. Steigende Anmeldezahlen in unseren VLSI-Kursen zeigen sowohl die Nachfrage nach unseren Kursen als auch die Wirksamkeit unseres Lehransatzes. Wir beobachten auch ein wachsendes Interesse am Chipdesign bei Studierenden anderer Fachrichtungen, wie z. B. der Informatik, was die fächerübergreifende Attraktivität dieses Fachgebiets zeigt.
Darüber hinaus sind mein Team und ich zusammen mit dem Center for Project-Based Learning D-ITET (PBL) aktiv an der Betreuung von P&S-Projekten beteiligt, und wir arbeiten mit Michele Magno zusammen, um den Kurs «Machine Learning on Microcontrollers» zu unterrichten und so die Bedeutung der praktischen Ingenieurausbildung zu unterstreichen.
Die ETH Zürich ist einzigartig, weil sie ein eigenes Mikroelektronik-Designzentrum (DZ) hat. Wie ist es dazu gekommen?
Das DZ spielt eine entscheidende Rolle, um den Studierenden des D-ITET eine hervorragende Ausbildung im VLSI-Design zu bieten. Meine Tätigkeit in dieses Gebiet begann während meiner Promotion in den Vereinigten Staaten, wo ich einen ähnlichen Ausbildungsansatz vorfand. Im Laufe der Zeit haben jedoch viele Einrichtungen in den USA solche Programme aufgrund der zunehmenden Komplexität des Designs und der steigenden Zugangskosten eingestellt. Gegenwärtig gibt es weltweit ein Wiederaufleben des Interesses an der Chipdesign-Ausbildung, was zum Teil auf die raschen Fortschritte in der KI-Technologie zurückzuführen ist. Wir erhalten zahlreiche Anfragen zu unseren Lehrmethoden, unserer Bildungsinfrastruktur und unserem Fachwissen im Bereich Chipdesign, was uns zu einer der führenden Einrichtungen in diesem Bereich macht.
Gibt es Kooperationen innerhalb des D-ITET oder mit anderen Departementen der ETH Zürich, die Sie besonders fruchtbar finden?
Kooperationen bereichern unsere Forschung und ermöglichen es uns, komplexe Probleme effektiver anzugehen. Innerhalb des D-ITET arbeite ich intensiv mit vielen Kolleg:innen aus verschiedenen Bereichen der Elektronik, der Informatik und des Bioengineering zusammen. Innerhalb und ausserhalb unseres Departements arbeite ich mit Forschenden im Gesundheitsbereich an Projekten im Zusammenhang mit fortschrittlicher Elektronik für Anwendungen wie Ultraschall und Optoelektronik. Auf dem Gebiet des Hochleistungsrechnens arbeite ich mit dem Departement Informatik zusammen. Ausserdem hatte ich auch schon gemeinsame Projekte mit Kolleg:innen im Bereich Quantencomputing.
War die Grösse Ihrer Forschungsgruppe ein Faktor für ihren Erfolg?
Die Grösse meiner Forschungsgruppe ist immer wieder einmal Diskussionsgegenstand. Es stimmt zwar, dass kleinere Gruppen leichter zu managen sind, aber die Art der Forschung, die wir betreiben, erfordert aufgrund der Komplexität der Herstellung von Chips mit Milliarden von Transistoren oft grössere Teams. Mit einer solchen Gruppe können wir Probleme aus der Praxis angehen und den Studierenden eine umfassendere Lernerfahrung bieten. Ausserdem verfolgen wir eine Open-Source-Philosophie, die es den Studierenden und Mitarbeitenden erleichtert, sich an unserer Arbeit zu beteiligen.
Wie vielfältig ist Ihre Forschungsgruppe in Bezug auf Geschlecht, kulturelle und berufliche Hintergründe?
Wir arbeiten aktiv daran, unsere Forschungsgruppe vielfältiger zu machen, insbesondere in Bezug auf das Geschlecht. Es ist uns gelungen, mehr Studentinnen zu gewinnen, auch wenn es nach wie vor schwierig ist, ein perfektes Gleichgewicht zwischen den Geschlechtern zu erreichen. Was die kulturelle Vielfalt betrifft, so streben wir eine gute Mischung von Nationalitäten innerhalb der Gruppe an, um eine globale Perspektive zu fördern. Wir haben Studierende aus verschiedenen europäischen Ländern, darunter einige Deutschschweizer und Italiener, aber auch Studierende aus China und Brasilien, was zu einer reichen kulturellen Mischung beiträgt, die unser Forschungsumfeld bereichert.
Suchen Sie derzeit nach Doktoranden für Ihre Gruppe?
Ich bin immer offen für aussergewöhnliche Doktorierende. Ich muss jedoch darauf hinweisen, dass sich mein Schwerpunkt in den kommenden Jahren auf den Abbau meiner akademischen Verpflichtungen verlagern wird. Dennoch möchte ich weiterhin Talente fördern, und wenn der/die richtige Kandidat:in kommt, freue ich mich sehr.
Hat sich die COVID-19-Pandemie nachhaltig auf Ihre Lehr- und Forschungstätigkeit ausgewirkt?
Die Pandemie hat zu einer Anpassung unserer Lehr- und Forschungsansätze geführt. Während sich virtuelle Lernmittel immer mehr durchgesetzt haben, bemühen wir uns jetzt bewusst darum, die Studierenden zu ermutigen, zu den Präsenzveranstaltungen zurückzukehren, da die praktischen Aspekte des Lernens in der Praxis von entscheidender Bedeutung sind. Es ist wichtig, ein Gleichgewicht zwischen virtuellem und persönlichem Unterricht herzustellen. Online-Meetings erleichtern die Kommunikation zwischen den verschiedenen Standorten auf dem ET-Campus im Zentrum und den neuen Büroräumen in Oerlikon, wo auch ein Teil meiner Gruppe ansässig ist.
Wie haben die Studierenden auf den Wechsel zwischen Fern- und Präsenzunterricht reagiert?
Anfänglich gab es nach der pandemiebedingten Umstellung auf Fernunterricht Widerstand gegen den Präsenzunterricht. In diesem Jahr haben wir jedoch einen Gesinnungswandel beobachtet, bei dem die Studierenden mit grösserem Enthusiasmus an den Präsenzveranstaltungen teilnehmen. Es scheint, dass sie erkannt haben, dass das Wesen einer Universität im physischen Raum liegt, in dem Studierende und Professor:innen zusammenkommen, um Ideen auszutauschen, zusammenzuarbeiten und praktische Lernerfahrungen zu machen: Viele gute Ideen entstehen einfach, wenn man in der Kaffee-Ecke plaudert (lacht).