Faszination medizinische Bildgebung: Wir machen das Unsichtbare sichtbar
Klaas Prüssmann ist Professor für Bioimaging und Leiter des Instituts für Biomedizinische Technik. Er spricht im Interview über seine Mission, Bilder aus dem Innern des menschlichen Körpers zu generieren und wie er den Weg an die ETH Zürich eher zufällig fand.
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Herr Prüssmann, können Sie uns Ihren Forschungsschwerpunkt erklären?
Wir erstellen Bilder für die Medizin, insbesondere aus dem Inneren des menschlichen Körpers. Diese Bilder sind nicht nur für die Untersuchung von Patienten wichtig, sondern auch für die Grundlagenforschung. Unser Ziel ist es, möglichst viel Information aus dem Inneren des Körpers zu gewinnen und bildhaft darzustellen. Wir entwickeln dafür nicht-invasive Verfahren, also solche, die den Menschen nicht verletzen.
Warum sind Bilder so wichtig in Ihrer Forschung?
Bilder sind seit Millionen von Jahren ein wesentlicher Teil unserer Wahrnehmung. Ein Bild sagt sprichwörtlich mehr als tausend Worte, und ein grosser Teil unseres Gehirns ist darauf spezialisiert, visuelle Reize zu verarbeiten. Daher nutzen wir bildgebende Verfahren, um komplexe Information zu visualisieren. Bilder bieten eine räumlich aufgelöste Darstellung der Welt, die für uns intuitiv verständlich ist. Dies ist besonders wichtig in der Medizin, wo präzise und zugleich verständliche Darstellungen des Körperinneren entscheidend sind.
Welche physikalischen Prinzipien nutzen Sie in Ihrer Forschung?
Wir arbeiten hauptsächlich mit magnetischen Wechselwirkungen, insbesondere mit magnetischer Kernresonanz. Magnetismus ist günstig, weil der menschliche Körper nur sehr schwach magnetisch ist. Für Magnetfelder ist der Körper ziemlich durchsichtig – eine zentrale Voraussetzung für das Hineinschauen. Wäre der Körper stark magnetisch, so würden sich zu viele Wechselwirkungen überlagern und Signale wären kaum interpretierbar. Deshalb ist auch Bildgebung durch elektrische Felder wenig praktikabel. Der Körper ist selbst ziemlich elektrisch und auch elektrisch aktiv. Das würde bei Untersuchungen mit elektrischen Feldern zu Verwirrung und möglichen Schäden führen.
Wie sind Sie zur Magnetresonanzforschung gekommen?
Das war eher ein Zufall. 1994 stand ich vor der Frage, welches Thema ich für meine Diplomarbeit wählen sollte. In Bonn, wo ich damals Physik und Medizin studierte, hätte die Arbeit ein Jahr gedauert. Bei einer Party erzählte mir ein Freund von der ETH Zürich, wo das angeblich in einem halben Jahr gehen sollte. Das klang verlockend, also fuhr ich am nächsten Morgen nach Zürich. Einen Tag lang bin ich dann über den Hönggerberg geirrt. Wieder unten im Tal fiel mir vor der Rückfahrt noch ein Zürcher Lehrbuch ein – über Magnetresonanz. Ich suchte spontan den Autor, Peter Bösiger, Leiter des Instituts für Biomedizinische Technik, in seinem Büro auf. Er war da und hatte eine lange Liste spannender Themen: So kam ich nach Zürich. Die Diplomarbeit hat dann aber doch ein Jahr gedauert. Es war immer noch die Bonner Studienordnung, die galt.
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«Wie ich zur Magnetresonanzforschung gekommen bin? Meine Diplomarbeit beschäftigte sich mit Magnetresonanz. Seitdem hat sich dieser Bereich für mich als immer wieder spannend und voller Opportunitäten erwiesen.»Prof. Klaas P. Prüssmann![]()
Welche Auswirkungen hat Ihre Forschung auf die Gesellschaft?
Unsere Forschung hat direkte Auswirkungen auf die Medizin, vor allem in der Diagnostik, die durch mehr Bildinformation empfindlicher und differenzierter wird. Wir arbeiten auch daran, die Kosten zu senken, Untersuchungen zu vereinfachen und Geräte effizienter zu machen. Und wir bilden Fachleute aus, die ihr Wissen in die Gesellschaft tragen. Nicht zuletzt wirken wir auch in die Volkswirtschaft hinein. Ein Beispiel ist unser Spin-off-Unternehmen Skope, das Messtechnik entwickelt, wichtige Teile von MR-Geräten herstellt und mittlerweile zu einem globalen Konzern gehört. Diese Entwicklungen tragen dazu bei, die medizinische Versorgung zu verbessern und für alle zugänglicher zu machen.
Was sind die grössten Herausforderungen in Ihrem Forschungsgebiet?
Eine der grössten Herausforderungen ist es, bisher unsichtbare Komponenten des Körperinneren sichtbar zu machen. Traditionelles MRI zeigt hauptsächlich Flüssigkeiten wie Wasser, aber wir arbeiten daran, auch feste Strukturen und Makromoleküle, wie z.B. Myelin und Kollagen, zu visualisieren. Myelin ist die Isolationsschicht rund um die Nervenfasern und spielt eine wichtige Rolle im Gehirn. Der Abbau von Myelin ist mit vielen schweren Krankheiten verbunden. Kollagen ist ein Protein, das in vielen Geweben vorkommt und für deren mechanische Stabilität sorgt. Diese Strukturen sichtbar zu machen, könnte grosse diagnostische Fortschritte ermöglichen.
Können Sie mehr über die technischen Herausforderungen und Lösungen in Ihrer Forschung erzählen?
Eine dauerhafte Herausforderung ist die unvermeidliche Bewegung der Patienten während der Bildgebung. Je höher die Auflösung, desto empfindlicher ist die Bildqualität für kleinste Veränderungen der Position. Wir arbeiten daran, Bewegung während der Untersuchung zu detektieren und sofort zu korrigieren, indem wir die entscheidenden Magnetfelder mitrotieren. Dies erfordert spannende Sensorik und Regelungstechnik. Diese beiden Sparten der Elektrotechnik ermöglichen uns auch, die begrenzte Genauigkeit der Teile von MRI-Geräten zu überwinden. Sensorik, Modellierung und schnelles Rechnen erweitern so den Rahmen dessen, was MRI kann.
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Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz (KI) in Ihrer Forschung?
KI ist ein wichtiges Werkzeug, insbesondere für die Mustererkennung in unseren Bildern. Sie kann helfen, Krankheiten frühzeitig aufzuspüren und die Datenanalyse zu verbessern. Allerdings beginnt alles mit der physischen Interaktion und der Datenerfassung, bevor KI zum Einsatz kommt. KI kann in kurzer Zeit enorme Datenmengen verarbeiten und nützliche Informationen daraus gewinnen. Dies könnte die Diagnostik revolutionieren, indem es Radiologen unterstützt und die Effizienz erhöht. Allerdings gibt es auch Herausforderungen, wie die Integration neuer Bildkontraste und die Anpassung der ärztlichen Praxis an diese neuen Technologien.
Sie lehren an der ETH und der Universität Zürich – wie unterschiedlich erleben Sie die beiden Institutionen?
Die Zusammenarbeit, in unserem Fall zwischen D-ITET und der Medizinischen Fakultät, ist eng und fruchtbar. Die beiden Seiten ergänzen sich perfekt und es gibt viel gemeinsam zu tun. Die Professuren am IBT haben je ein «Leading House» (Anm. ETH Zürich oder Universität Zürich), aber die Zusammenarbeit im Institut ist nahtlos. Es gibt zwischen den Hochschulen gewisse Unterschiede in den Abläufen. Damit lässt sich umgehen und es überwiegt klar der Nutzen der Kooperation für beide Seiten.
Welche Visionen haben Sie für die Zukunft Ihrer Forschung?
Die Physik gibt uns noch viele Möglichkeiten, den Informationsgehalt von MRI und anderen magnetisch detektierten Daten wie Magnetoenzephalogrammen (MEG) zu vervielfachen. Die Datenmenge bringt menschliche Betrachter heute an Grenzen. Ein neues, weites Spielfeld entsteht aber, wenn das Mehr an roher Information mithilfe maschineller Analyse in mehr medizinischen Wert umgesetzt wird. Ich erwarte, dass das Zusammenspiel mit maschinellem Lernen den Nutzen unserer Arbeit potenzieren wird. Das neue GLC-Gebäude mit MRI- und MEG-Anlagen Tür an Tür bietet uns dafür die besten Bedingungen. Nach langer Planungs- und Bauzeit hat uns die Fertigstellung des GLC enorm vorangebracht.
Sind Sie auf der Suche nach neuen wissenschaftlichen Mitarbeitenden?
Mit dem Einzug ins GLC haben wir wieder Kapazität zu wachsen. Unsere Forschungsgruppe ist sehr international und setzt sich hauptsächlich aus Absolvent:innen der Elektrotechnik, Physik und Biomedizinischen Technik zusammen. Auch aus angrenzenden Feldern wie Informatik und Maschinenbau kommen Studierende dazu. Wir werden uns dieses Jahr sicher verstärken und freuen uns, von Interessent:innen zu hören.
Professor:innen am D-ITET
In unserer Interview-Reihe geben Professor:innen am D-ITET einen Einblick in ihre Forschung und ihre persönliche Motivation, in die Wissenschaft zu gehen.
Links
- Institut für biomedizinische Technik
- Multiple Sklerose mit neuem MRT-Verfahren sichtbar machen
- externe Seite Spin-off-Unternehmen Skope