Über den Tellerrand hinaus denken: Fünf Jahre PBL – Wie projektbasiertes Lernen das Ingenieurstudium an der ETH Zürich verändert hat
Vor fünf Jahren wurde das Center for Project-Based Learning (PBL) am D-ITET gegründet, mit dem Ziel, den Studierenden eine praxisnahe, interdisziplinäre Ausbildung zu ermöglichen. Seit seiner Gründung wurden zahlreiche Projekte umgesetzt, neue Lehrformate entwickelt und wertvolle Kooperationen mit der Industrie aufgebaut. Michele Magno, Leiter des PBL, gibt Einblicke in Entwicklung, Erfolge und Zukunftsvisionen.

Welche Meilensteine und Erfolge hat das PBL seit seiner Gründung im Jahr 2020 erreicht?
Auch nach fünf Jahren sind wir weiterhin hier – ein klarer Beweis für unseren Erfolg. Ich bin stolz darauf, dass wir unseren Wert für das Departement bewiesen und unsere langfristige Rolle an der ETH Zürich gefestigt haben. Wir haben ein einzigartiges dreistufiges Ausbildungsmodell entwickelt, das sich von der Bachelor- bis zur Masterstufe erstreckt und projektbasiertes Lernen zu einem integralen Bestandteil des Lehrplans macht. Im Laufe der Jahre haben wir 15 neue PBL-Kurse eingeführt, die praktische Fähigkeiten vermitteln. Wir haben auch bestehende Kurse wie Embedded Systems ins „PBL-Format“ umgewandelt. Das PBL ist zu einer Plattform geworden, auf der sich Forschungsexzellenz und praktische Ausbildung auf effiziente Weise gegenseitig verstärken.
Heute unterstützen wir pro Jahr über 130 studentische Arbeiten, mehr als 400 Bachelor- und Masterstudierende aus verschiedenen Fachbereichen belegen PBL-Kurse (z.B. Embedded Systems und Maschinelles Lernen auf Mikrokontrollern), und über 300 Bachelorstudierende nehmen an P&S-Kursen teil. Mehr als 10 grosse kooperative Vorzeigeprojekte wurden lanciert, die die Zusammenarbeit mit der Industrie und die interdisziplinäre Forschung stärken. Unser Ansatz hat die Innovation auch über den akademischen Bereich hinaus vorangetrieben: ein Start-up wurde gegründet und zwei weitere sind geplant. Projekte mit PBL-Bezug waren auch unter den Top 3 beim Kite Award 2024.
Wie haben sich die Projekte im Laufe der Jahre entwickelt, und welche Rolle spielen dabei interdisziplinäre Projekte?
Anfangs war ich allein und viele Projekte waren auf kleinere, departements-spezifische Anwendungen ausgerichtet. Im Laufe der Zeit, als unser Team wuchs und wir mehr Erfahrung sammelten, wurden die Projekte grösser und interdisziplinärer. Heute bringen wir aktiv Studierende aus den Bereichen Elektrotechnik, Informatik, Maschinenbau, Gesundheitswissenschaften, Robotik, Embedded Systems und darüber hinaus zusammen und ermöglichen ihnen, an komplexen, realen Herausforderungen zu arbeiten, die Kenntnisse und Fähigkeiten aus mehreren Bereichen erfordern. Unsere Robotik-Projekte beispielsweise umfassen eine Kombination aus Sensoren, energieeffizientem maschinellem Lernen, Embedded Control, Embedded Systems, Informatik und Maschinenbau.
Grosse Vorzeigeprojekte sind auf reale Herausforderungen ausgerichtet, wie z. B. die Unterstützung sehbehinderter Menschen durch autonome Roboter. Der interdisziplinäre Charakter dieser Projekte ermöglicht es den Studierenden, an komplexen Problemen zu arbeiten, die Kenntnisse und Fähigkeiten aus verschiedenen Bereichen erfordern. Dies verbessert nicht nur ihre Lernerfahrung, sondern bereitet sie auch auf berufliche Herausforderungen vor. Die Entwicklung unserer Projekte spiegelt unser Engagement wider, die Grenzen dessen, was durch projektbasiertes Lernen erreicht werden kann, zu erweitern, Innovationen zu fördern und die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Disziplinen zu unterstützen.
Welches Feedback erhalten Sie von Studierenden und Industriepartnern zu den PBL-Projekten?
Das Feedback ist sehr positiv. Die Studierenden schätzen die Möglichkeit, praktische Erfahrungen zu sammeln und an realen Projekten zu arbeiten. Vor allem, dass wir sie nicht einfach nur etwas bauen lassen, sondern ihnen zeigen, wie sie mit Hilfe von Forschungsaufgaben hervorragende praktische Fähigkeiten entwickeln können und gleichzeitig sicherstellen, dass sie die zugrunde liegenden Prinzipien und Methoden verstehen. Sie stellen fest, dass projektbasiertes Lernen ihr kritisches Denken, ihre Problemlösungskompetenz und ihre Fähigkeit zur Teamarbeit fördert – Eigenschaften, die bei Arbeitgebern sehr gefragt sind. Viele Unternehmen zeigen Interesse an unseren Absolvent:innen, da sie deren Bereitschaft für die Arbeitswelt und die Fähigkeit, sofortige Beiträge zu Forschung und Entwicklung, Produktentwicklung und Innovation zu leisten, schätzen. Insgesamt hat das Center for Project-Based Learning die Ingenieurausbildung von einem traditionellen Modell zu einem dynamischeren, erfahrungsorientierten Ansatz verändert. Die grosse Unterstützung sowohl von Studierenden als auch von Industriepartner:innen motiviert uns, unsere Angebot weiter zu verfeinern und auszubauen.

«Insgesamt hat das Center for Project-Based Learning die Ingenieurausbildung von einem traditionellen Modell zu einem dynamischeren, erfahrungsorientierten Ansatz verändert. Die grosse Unterstützung sowohl von Studierenden als auch von Industriepartner:innen motiviert uns, unsere Angebot weiter zu verfeinern und auszubauen»Michele Magno, Leiter des Center for Project-Based Learning am D-ITET![]()
Was sind Ihre zukünftigen Ziele für das Center for Project-Based Learning?
Das PBL hat bereits viele Meilensteine erreicht, aber für mich ist das erst der Anfang. Ich stelle mir vor, dass es noch weiterwächst, seine Wirkung auf die Studierenden erhöht und innerhalb der ETH Zürich mehr Anerkennung findet. Ein wichtiges Ziel ist es, die Einbindung der Industrie in unsere Projekte zu vertiefen – nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Lehre, zum Beispiel durch Mentoring. Dadurch wird die Zusammenarbeit gestärkt und die Studierenden erhalten noch mehr Möglichkeiten, sich mit realen Herausforderungen auseinanderzusetzen. Ein Schritt in diese Richtung ist auch mein eigener Weg in der Lehre. Ich fühle mich geehrt, ab Februar 2024 zum Privatdozenten ernannt worden zu sein, was mir ermöglicht, projektbasiertes Lernen noch stärker in der Lehre zu verankern.
Mein Ziel ist es auch, die PBL-Forschung am D-ITET voranzutreiben und zu beweisen, dass forschungsbasierte Bildung höchst effektiv ist. Indem wir Spitzenforschung in unsere PBL-Projekte integrieren, stellen wir sicher, dass sich die Studierenden mit den relevantesten Themen beschäftigen. Meine Vision ist, dass dies ein nachhaltiges und skalierbares Modell für die Ausbildung wird, nicht nur am D-ITET, sondern auch in Zusammenarbeit mit anderen Departementen der ETH Zürich, in Europa und darüber hinaus, um andere Universitäten zu inspirieren, praxisnahes, projektbasiertes Lernen in ihre Lehrpläne zu integrieren. Ich möchte, dass projektbasiertes Lernen die Studierenden dazu befähigt, über den Tellerrand hinaus zu denken – zu entwickeln, zu entwerfen und reale Probleme mit Selbstvertrauen zu lösen.

Flagship Project: Intelligente Brillen mit niedrigem Stromverbrauch
In diesem Projekt sind die Studierenden eingeladen, an der Konzeption und Entwicklung einer neuartigen, multisensorischen und offenen Forschungsplattform für intelligente Brillen mitzuwirken.

Flagship Project: Smarte Sensoren für das Wohlbefinden von Tieren (mit Zoo Zürich und EWS)
Studierende haben die Möglichkeit, in diesem Projekt mit Embedded Systems, Hardware- und Software-Design unter den Einschränkungen von Platz, Gewicht und Energie zu arbeiten.

Flagship Project: Lokalisierung für Robotic Swarms
Hier soll ein energiebewusstes, infrastrukturfreies Lokalisierungssystem für autonome Roboterschwärme entwickelt werden, die für zukünftige Missionen auf dem Mondsüdpol entworfen wurden.
Links
- Center for Project-Based Learning
- Flagship Projects
- externe Seite PBL auf LinkedIn